Hauptauslöser des Klimawandels ist der gewaltige Energiebedarf, der mit der Zunahme der Weltbevölkerung und dem Anstieg des Bruttoinlandproduktes einhergeht und weiter einhergehen wird. Aber nicht die Energie als solche ist die Ursache der Klimaprobleme, sondern in erster Linie die Anreicherung von CO 2 in der Atmosphäre durch die Verbrennung fossiler Brennstoffe (Kohle, Erdöl und Erdgas). Energieeffizienz verbessern ist zwar gut, genügt aber nicht. Die CO 2 -Emissionen haben von 1990 bis 2004 trotz erheblicher Verbesserung der Effizienz weltweit um 30 Prozent auf rund 27 000 Millionen Tonnen zugenommen. Bei einem Bruttoinlandprodukt von weltweit 60 000 Milliarden Dollar sind das rund 450 g CO 2 /$ (Dollar von 2005).
Ziemlich genau die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs und dementsprechend auch fast die Hälfte der CO 2 -Emissionen betreffen die 30 Mitglieder der OECD, welche 2004 rund 18 Prozent der Weltbevölkerung ausmachten. Die OECD- Energiewirtschaft ist bezüglich CO 2 -Ausstoss geringfügig fortschrittlicher als der Rest der Welt. Bezogen auf das Bruttoinlandprodukt (kaufkraftbereinigt) ist der CO 2 -Ausstoss der OECD-Länder 410 g CO 2 /$ gegen rund 510 g CO 2 /$ des Rests der Welt. Dieser Nachhaltigkeitsindikator kennzeichnet viel besser als die Anzahl Kilowatt pro Einwohner («2000-Watt-Gesellschaft») die von einer Energiewirtschaft erreichte Umweltverträglichkeit, da er nicht nur die Energieeffizienz, sondern auch die CO 2 -Intensität der Energie berücksichtigt. Der Index der Schweiz lässt sich weltweit sehen und beträgt für 2004 gute 185 g CO 2 /$, ist aber noch weit entfernt vom weiter unten begründeten und anzustrebenden Wert von 50 g CO 2 /$.
Die IEA (International Energy Agency) veranschlagt in ihrer bemerkenswerten Studie (2006) den weltweiten Anstieg des Bruttoinlandprodukts bis 2030 auf knapp 140 000 Milliarden Dollar (+130 Prozent verglichen mit 2004, entspricht einem Zuwachs von 2,4 Prozent des BIP pro Kopf) bei einer Bevölkerung von gut 8 Milliarden Menschen. Der Energiebedarf würde sich, je nach Szenario (Alternativ- und Referenzszenario), um 38 Prozent bis 53 Prozent erhöhen und ergäbe dann einen CO 2 -Ausstoss von 34 000 bis 39 000 Millionen Tonnen (+26 Prozent bis +44 Prozent). Selbst das umweltfreundlichere Alternativszenario ist für einen wirksamen Klimaschutz ungenügend. Der sich ergebende Nachhaltigkeitsindex von weltweit 250 g CO 2 /$ (OECD 240 g CO 2 /$, Rest der Welt 260 g CO 2 /$) ist offensichtlich unzureichend. Die nähere Analyse des Alternativszenarios zeigt, dass wohl eine erhebliche Verbesserung der Energieeffizienz (Energiebedarf/Bruttoinlandprodukt), mit einem Faktor von rund 0,6, kaum aber der CO 2 -Intensität der Energie (CO 2 -Ausstoss/Energiebedarf) veranschlagt wurde. Letztere weist nur geringe Verbesserungen auf (Faktor 0,95). Mögliche und notwendige Strukturwandlungen des Energiesystems sind demzufolge zu wenig berücksichtigt worden. Eine einfache Rechnung zeigt, dass um die Emissionen im Jahre 2030 weltweit nur auf den Stand von 2004 zu halten bzw. zurückzuholen, 200 g CO 2 /$ nicht überschritten werden dürfen.
Schaut man noch etwas weiter in die Zukunft, sollte zur Vermeidung weltweiter Katastrophen klimatischer Art bis Mitte des Jahrhunderts (2050) eine Zielvorgabe von höchstens 50 g CO 2 /$ festgelegt werden. Selbst bei einer weiteren Zunahme des weltweiten Bruttoinlandproduktes um 65 Prozent gegenüber 2030 würde es dann gelingen, die Gesamtemissionen auf rund 12 000 Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren.
Ist eine solche Reduktion notwendig? Klimaforscher weisen auf die enormen infrastrukturellen Kosten der Klimaänderung hin, die mehr als linear mit der CO 2 -Konzentration in der Atmosphäre (bzw. mittlere Temperaturerhöhung) zunehmen. Deren soziale und politische Auswirkungen könnten ausserdem die ökonomische Entwicklung empfindlich bremsen. Die sich ergebenden Gesamtkosten dürften somit letztlich ein Mehrfaches von dem ausmachen, was für die rasche Anpassung der energiewirtschaftlichen Struktur an die Bedürfnisse des Klimaschutzes notwendig ist.
Die Grafik zeigt die weltweite Struktur der CO 2 -Emissionen im Jahre 2004. Daraus geht klar hervor, dass nahezu die Hälfte der Emissionen aus dem Energiesektor stammt, im Wesentlichen also aus der Produktion von Elektrizität (rund 40 Prozent in den OECD-Ländern, 50 Prozent im Rest der Welt). Vor allem wirkt sich der grosse Anteil an Kohlekraftwerken verheerend aus. Weltweit werden 40 Prozent der Elektrizität mit Kohle generiert. Eine Ausnahme stellt die Schweiz dar, deren Elektrizität zu 95 Prozent praktisch CO 2 -frei aus Wasserkraft und Kernenergie produziert wird. Auch in der EU-15 gibt es Länder, wie Frankreich und Schweden, in denen sich ein ähnliches Bild wie in der Schweiz ergibt. Elektrizität und Treibstoffe weisen (vor allem in der Nicht-OECD-Welt) die grössten Zuwachsraten auf.
Kohle hat den Vorteil (für das Klima ein Nachteil), dass sie in vielen Ländern billig und für Jahrhunderte noch verfügbar ist. Sie müsste also künstlich gemäss Verursacherprinzip mit starken CO 2 -Abgaben verteuert werden. Eine rasche Abkehr von der Kohle oder zumindest von ihrer heutigen Verwendungsart ist deshalb vermutlich nur international mit einer Art Marshall-Plan möglich. Welche Massnahmen sind denkbar?
Als kurzfristige Massnahme ist der Einsatz von einem Mix aus Gaskraftwerken, Kernenergie, Windenergie und Photovoltaik notwendig, in einigen Ländern auch von Geothermie und Solarthermie (Biomasse soll in erster Linie für Wärmeanwendungen und Treibstoffe reserviert werden). Auch die Wasserkraft ist nicht zu vergessen, die in einigen Ländern noch erhebliche Potenziale aufweist. Vor allem sollten aber weltweit möglichst keine zusätzlichen Kohlekraftwerke gebaut werden und die bestehenden möglichst rasch durch neuere, wesentlich effizientere ersetzt werden (Wärme-Kraft-Kopplung, Kombi-Prozesse).
Erdgas und Kernenergie stehen aber nur beschränkt für eine solche Aufgabe zur Verfügung. Die Reserven an Erdgas (dessen Verbrennung nahezu halb so viel CO 2 produziert wie Kohle) sind begrenzt. Ebenso die Uranreserven bei Einsatz der heute verfügbaren Reaktoren der 3. Generation. Windenergie (deren Potenzial gross ist) und Photovoltaik sind deshalb stark zu fördern. Photovoltaik muss verbilligt werden durch Forschungsanstrengungen und Massenfabrikation, aber solange notwendig auch durch Einspeisevergütungen. Ihr Potenzial ist praktisch unbegrenzt. Der Einsatz von Windenergie und Photovoltaik im grossen Stil stellt neue Anforderungen auch an die Übertragungsnetze und Speichertechniken, die aber technisch erfüllbar sind. Die Umstellung ist insgesamt nicht billig. Die Klimaschäden könnten aber noch viel teurer zu stehen kommen. Mittel- und langfristige Massnahmen sind:
1. | die Umwandlung von Kohle zu wasserstoffreicheren Energieträgern und die Lagerung des dabei entstehenden CO 2 mit entsprechenden, in Bezug auf Wirksamkeit und Umweltfreundlichkeit aber noch ernsthaft zu prüfenden Technologien; |
2. | der Einsatz von Kernreaktoren der 4. Generation (was aber ebenfalls noch ernsthaft zu prüfende Probleme stellt) und ab Mitte Jahrhundert eventuell der Kernfusion. |
Die Wärmeanwendungen (ohne Elektrizität) verursachten 2004 rund 30 Prozent der CO 2 -Emissionen. Dies gilt für die OECD-Länder, aber auch für den Rest der Welt. Der Ersatz der Komfortwärme sollte hier bei entsprechender Förderung keinen besonderen Schwierigkeiten begegnen. Dazu eignen sich: Solararchitektur, gute Isolation, Solarkollektoren, Biomasse, nicht zuletzt Fernwärme (Wärme-Kraft-Kopplung) und (zur Nutzung von Umweltwärme und Geothermie) vor allem die Wärmepumpe. Für Letztere gilt die Einschränkung, dass möglichst CO 2 -freie Elektrizität dazu verwendet werden sollte (in der Schweiz sind die Bedingungen dazu ideal), was der Bedeutung einer CO 2 -armen Elektrizitätsproduktion eine weitere Dimension hinzufügt. Bei der Prozesswärme sollte der Anteil an Brennstoffen zugunsten der (möglichst CO 2 -freien) Elektrizität verringert werden und was übrig bleibt durch effizientere Verfahren oder Einsatz von Biomasse und Abfällen möglichst emissionsfrei gemacht werden.
Schwieriger sind Einschränkungen im Treibstoffbereich. Dieser verursachte 2004 weltweit etwas über 20 Prozent der CO 2 -Emissionen. In den OECD-Ländern waren es aber rund 30 Prozent. Im Rest der Welt ist der Anteil noch niedrig, aber mit stark steigender Tendenz. Die Hauptanstrengungen sind hier kurzfristig im Effizienzbereich zu unternehmen (verbrauchsarme Motoren, Hybridantriebe, CO 2 -Abgaben). Effizienzgewinne sind aber im Alternativszenario der IEA bereits berücksichtigt. Eine Reduktion der CO 2 -Intensität der Transportenergie ist kurzfristig nur mit Biotreibstoffen, Elektrofahrzeugen und der Schiene zu erzielen. Mittel- und langfristig wird möglicherweise die Brennstoffzellentechnologie, gekoppelt mit der Erzeugung von nachhaltigem Wasserstoff, dazu beitragen.